Interview mit Mag. Martin Munte, General Manager Amgen Austria und Präsident der Pharmig

„…Der Generikaanteil am ersetzbaren Markt beträgt rund 52%. Bereits jede zweite Verordung fällt also auf ein Nachfolgeprodukt…“

Munte
„Mit bis zu 285 Millionen Euro aus dem Rahmen-Pharmavertrag 2018 investiert die pharmazeutische Industrie so viel wie keine andere Branche in das heimische Gesundheitssystem. Mit diesen Solidarbeiträgen in Millionenhöhe unterstützen wir die Krankenkassen in ihrer Leistungsfähigkeit gegenüber den Patienten“. Im Gespräch mit „Nephro Tirol“ bekennt sich der Präsident der Pharmig zu einem solidarischen Gesundheitssystem. (©Klassik-Radio)

Zur Person: Sei 1. Juli 2009 hat Mag. Martin Munte  die Geschäftsleitung der AMGEN GmbH in Österreich übernommen. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler startete seine Karriere im Jahr 1997 bei der AstraZeneca GmbH Österreich als Produktspezialist im Vertrieb. Seit April 2016 ist er auch Präsident der pharmazeutischen Industrie Österreich (Pharmig)

Nephro Tirol (NT): Herr Präsident, in der Pharmig haben sich 120 Unternehmen mit mehr als 18.000 Mitarbeitern zusammengeschlossen. Wo sehen Sie die Hauptaufgaben des Verbandes?

Martin Munte (MM): Das höchste gemeinsame Bestreben der Pharmig, der Interessensvertretung der pharmazeutischen Industrie Österreichs, ist es, die medizinische Versorgung in Österreich auf einem qualitativ hochwertigen Niveau zu halten und – wo möglich – zu verbessern. Im Zentrum steht stets der Patient: Es gilt, die Bevölkerung mit Medikamenten optimal zu versorgen und Zugang zu innovativen Therapien zu schaffen und auch zu sichern. In der Onkologie profitieren Patienten hierzulande beispielsweise von einem exzellenten Zugang zu neuen Behandlungsmöglichkeiten, das spiegelt sich auch in der Top 5-Platzierung Österreichs innerhalb der EU-Länder mit der höchsten Krebs-Überlebensrate wider. Damit dies auch weiterhin möglich ist, setzen wir uns daher für einen starken Forschungs- und Wirtschaftsstandort Österreich ein. Investiert man nicht in Innovationen, gibt es auch keinen medizinischen Fortschritt. Zuguterletzt sehen wir uns als Partner im Gesundheitswesen. Als Akteur im Gesundheitswesen sind uns daher auch Transparenz und Effizienz ein besonderes Anliegen, um das Vertrauen in das Gesundheitswesen und auch in die Zusammenarbeit mit sämtlichen daran Beteiligten zu stärken.

NT: Die Pharmabranche steht nicht nur unter Druck, sondern muss sich auch Vorwürfe gefallen lassen, die Preise für ihre Produkte in die Höhe zu treiben. Was können Sie uns dazu sagen?

MM: In den letzten Jahren wurden in einigen Bereichen echte medizinische Durchbrüche erzielt. In der Onklogie arbeiten wir mit der Immuntherapie und der personalisierten Therapie an zwei sehr vielversprechenden Behandlungsansätzen, Krebs ist heute in vielen Fällen kein Todesurteil mehr. Patienten mit Hepatitis C können erstmals geheilt werden. Was diese Krankheiten gemeinsam haben, ist ein immenser Forschungsaufwand für Unternehmen. Die Entwicklung dieser neuen, hochkomplexen Medikamente ist enorm ressourcen- und zeitintensiv. Dies schlägt sich natürlich auch im Preis nieder. Man muss jedoch auch einen ganzheitlichen Blick darauf haben und den wahren Nutzen von Innovationen erkennen: Betroffene gewinnen an Lebensqualität, können am privaten aber auch beruflichen Leben teilhaben. Indirekt besteht also auch ein volkswirtschaftlicher Nutzen, etwa für den Arbeitsmarkt und das Pensionssystem. Abschließend möchte ich noch anmerken, dass die Arzneimittelpreise in Österreich im Mittelfeld liegen und die Packungspreise auf allen Preisebenen, gemessen an den EU-15-Mittelwerten, unter dem Durchschnitt sind. Die Preise für bereits am österreichischen Markt befindliche Arzneimittel sind sogar seit 1996 jedes Jahr gefallen. Eine fiktive Arzneimittelpackung, die 1996 noch 10 Euro kostete, kostete 2014 nur mehr 7,20 Euro.

NT: Bis ein Medikament zugelassen werden kann, müssen an Forschnung bis zu 1,5 Milliarden Euro investiert werden. Wird noch nach genügend innovativen Medikamenten geforscht?

MM: Auf jeden Fall – es laufen sehr viele Projekte in der Arzneimittelentwicklung, weltweit beispielsweise etwa 4100 im Bereich der nicht übertragbaren Krankheiten! Die Forschung entwickelte sich in den letzten Jahren verstärkt von Blockbuster- zu Nischenprodukten, der Trend geht eindeutig in Richtung Individualisierung und Differenzierung. Die Innovationskraft zeigt sich auch in der Anzahl der neu zugelassenen Medikamente: 32 Arzneimittel kamen in Österreich 2015 auf den Markt. Fortschritt offenbart sich aber auf verschiedene Weise: Wenn ein Patient statt einer Spritze auch eine Tablette einnehmen kann, Behandlungen ambulant und nicht stationär erfolgen können, dann ist auch das Innovation zum Wohle des Patienten.

NT: In den letzten Jahren wurden in Europa eher wenig Medikamente mit neuem Wirkstoff zugelassen. Anders als in den USA. Verliert Europa den Anschluss in Forschung und Entwicklung?

MM: In den USA genießt Forschung einen viel höheren Stellenwert als in Europa oder speziell auch in Österreich. Um den Forschungsstandort in Europa oder Österreich zu stärken, benötigen wir – wie in den USA –  gut ausgestattete Forschungszentren, raschere und unbürokratischere Vertragsabwicklungen sowie Zeit und Ressourcen für klinische Forschung, um international attraktiv und wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies verlangt aber auch eine höhere Prozessorientierung zwischen den Stakeholdern im Gesundheitswesen und deutliches Commitment für klinische Forschung.

NT: Fällt der Patentschutz für ein Originalprodukt, kann Generika auf den Markt kommen. Unsere Patienten haben ein ambivalentes Verhältnis zu Generika. Steigt der Druck des Hauptverbandes mehr Generika anzubieten?

MM: Die Skepsis in der Bevölkerung ist hoch, was Generika betrifft. Dabei sind diese im Grunde genauso sicher wie Originalarzneimittel. Sicherlich können sie dazu beitragen, die Kosten für Behandlungen zu senken. Und sie werden auch eingesetzt: Der Generikaanteil am ersetzbaren Markt beträgt rund 52%. Bereits jede zweite Verordung fällt also auf ein Nachfolgeprodukt, die Kosten am ersetzbaren Markt betragen 47%. Generell lässt sich festhalten, dass der Generikaanteil am österreichischen Markt kontinuierlich steigt.

NT: Jan Oliver Huber beklagt, dass in Österreich seit drei Jahren die Forschungsquote stagniert. Was erwartet sich die Pharmabranche vom Wirtschaftsstandort Österreich und ist er für internationale Konzerne (verglichen mit der Schweiz) überhaupt noch interessant?

MM: Wie bereits angesprochen, ist ein klares Bekenntnis für klinische Forschung von allen Seiten im Gesundheitswesen notwendig. Bis dato tragen nach wie vor Unternehmen den größten Anteil an Forschungsausgaben in Österreich. Die Arzneimittelentwicklung ist ein Hochrisikogeschäft: Ist das Bewusstsein und die Unterstützung durch den öffentlichen Sektor nicht gegeben, überdenken Unternehmen möglicherweise ihre Bereitschaft das Risiko einzugehen.

NT: Mit den Sozialversicherungen wurden für das Jahr 2016 Preissenkungen vereinbart. 125 Millionen sollen es  gewesen sein. Steigt der Medikamentenbedarf in Österreich signifikant, wie die Krankenkassen behaupten?

MM: Wir werden heute immer älter: Eine Österreicherin wird durchschnittlich 84 Jahre, ein Österreicher 79 Jahre alt. Jedes Jahr steigt die Lebenserwartung um ca. 2 Monate, dies ist unter anderem auch medikamentösen Therapien zu verdanken. Im Zuge des demografischen Wandels erhöht sich folglich auch der Medikamentebedarf, der ab dem 60. Lebensjahr stark ansteigt. Das führt logischerweise auch zu steigenden Behandlungskosten.

NT: Der Rahmen-Pharmavertrag 2018 wurde ausverhandet. Ist hier der Wille der Pharmig zu einem solidarischen Krankenversicherungssystem erkennbar?

MM: Definitiv! Bereits seit 2008 besteht dieses in Europa einzigartige und erfolgreiche Konzept zwischen Pharmawirtschaft und Sozialversicherung. Mit bis zu 285 Millionen Euro aus dem Rahmen-Pharmavertrag 2018 investiert die pharmazeutische Industrie so viel wie keine andere Branche in das heimische Gesundheitssystem. Mit diesen Solidarbeiträgen in Millionenhöhe unterstützen wir die Krankenkassen in ihrer Leistungsfähigkeit gegenüber den Patienten. Mit dem aus dem Rahmen-Pharmavertrag entstandenen Gemeinsamen Gesundheitszielen stellen wir zusätzlich insgesamt bis zu 6,4 Millionen Euro für die Förderung von Projekten im Bereich Kindergesundheit und Prävention zur Verfügung. Bisher haben 36 Projekte konkreten Nutzen für Patienten gestiftet. Des Weiteren zeigen wir auch damit, wie leistungsfähig zwei Partner im Gesundheitswesen sein können.

NT: Sie sind ja Generalmanger von Amgen Austria. Amgen wurde 2007 vom Magazin „Scientist“ als bester Arbeitgeber der Welt auserkoren. Was ist die Firmenphilosophie eines so großen US-Konzerns?

MM: Die Mission von Amgen lautet „To serve patients – Patienten zu helfen“. Amgen ist es sehr wichtig, den Mitarbeitern genau für die Erfüllung dieser obersten Priorität die passenden Werkzeuge in die Hand zu geben. Ein spannendes Arbeitsumfeld, innovative Produkte, starker Zusammenhalt sowie Vertrauen in die Mitarbeiter motiviert die Amgen Mitarbeiter jeden Tag dazu, ihr Bestes zu geben. Anscheinend machen wir etwas richtig – Amgen Österreich wurde im Jahr 2015 bei der Mitarbeiterbefragung von „Great Place To Work“ in der Kategorie 50 – 250 Mitarbeitende zum besten Arbeitgeber Österreichs ausgezeichnet. Das freut mich natürlich auch ganz besonders, ich bin sehr stolz auf meine Mitarbeiter und auf das, was in unserem Land geleistet wird.

NT: Amgen  stellt als Biotechnologieunternehmen Medikamente im Bereich des chronischen Nierenversagens, der Onkologie und Osteoporose her. Konnten mit diesen Produkten bahnbrechende Erfolge für die Patienten erzielt werden?

MM: Amgen verfolgt einen „Biology First Approach“: dieser Ansatz erlaubt den Amgen Wissenschaftlern, zuerst die komplexen molekularen Signalwege einer Krankheit zu erforschen. Anhand dieser Erkenntnisse wird entschieden, welcher Wirkstoff oder welche Behandlungsmodalität am wahrscheinlichsten die optimale Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Therapie bietet. Wir waren mit vielen unserer Produkte „First-In-Class“, also die Ersten weltweit, die einen Wirkmechanismus oder Wirkstoff zur Zulassung gebracht haben. Wir sind sehr stolz darauf, den PatientInnen Innnovationen zur Verfügung stellen zu können – denn wir legen den Fokus auf Bereiche, in denen es bis jetzt keine bzw. unzureichende Behandlungsmöglichkeiten gibt. Wir erweitern laufend unser Portfolio und sind auch mittlerweile in etlichen unterschiedlichen Indikationen tätig – seit einiger Zeit sind wir nun auch im kardiovaskulären Bereich aktiv und haben eine stark gefüllte Pipeline, die uns weiter positiv in die Zukunft blicken lässt – ganz im Sinne unserer Mission: To serve patients – Patienten zu helfen.

NT: Herzlichen Dank für das Interview!

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