Beim Patientenanwalt häufen sich die Beschwerden. Patienten fühlen sich ungleich behandelt. Gesundheitslandesrat Tilg erklärt, dass es keine Ungleichbehandlung geben dürfe.

(VNT/TT). Innsbruck – „Ein Primararzt muss wesentliche Teile der Behandlung delegieren“, meint Patientenanwalt Birger Rudisch. Er bezieht sich auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes. Dieser hatte einem Patienten Recht gegeben. Ein Primararzt hatte 7335 Euro verrechnet, obwohl er auf Urlaub war und er den Patienten nicht behandelt hatte. Wenn der Primararzt nur verrechnen dürfte, wenn er selbst behandelt, würde das System zusammenbrechen, erklären Praktiker. „Das ist ein sehr österreichisches System. Aber es funktioniert. Ansonsten würden der Schwarzmarkt und das Zahlen unter der Theke florieren“, erklärt Peter Eichler, Vorstandsmitglied bei der Uniqua Österreich, die private Krankenversicherungen abschließt. „Wir versuchen, dass das Geld leistungsgerecht verteilt wird. Der Arzt, der behandelt, soll auch das Geld bekommen.“ Darauf werde der Fokus in den Verträgen gelegt. In Innsbruck sind diese mit den Primarärzten direkt abzuschließen, in anderen Bundesländern mit den Spitalsbetreibern oder der Ärztekammer. „Innsbruck ist eine Herausforderung“, meint Eichler. Innsbrucks Bestverdiener unter den Primarärzten liegt bei rund 1,5 Millionen Euro an Privatgeld im Jahr. 31 Millionen Euro haben die Privatpatienten 2011 in die vier Landesspitäler hereingespült.
Für so viel Geld dürften sich die Patienten eine besondere Behandlung erwarten. „Die freie Arztwahl ist ein Motiv für den Kauf einer Privatversicherung, ebenso wie die Hotelkomponente“, sagt Eichler. Beschwerden, dass nicht der Arzt seiner Wahl zur Verfügung gestanden sei, gebe es unter den Privatversicherten kaum.
Spitälern empfiehlt die Uniqa, zwei Wartelisten für Operationen zu führen: eine für die Sonderklasse, eine für die normale, erklärt Eichler. „Damit die Auslastung passt.“ In öffentlichen Spitälern dürfen maximal 25 Prozent der Betten Betten für Sonderklassepatienten sein. Konkurrenz gibt es durch die Privatspitäler. „Da erhalten unsere Patienten durchaus rasch einen Termin.“ Der Werbefeldzug der Privatversicherer punktet. 1,6 Millionen Österreicher haben eine private Krankenversicherung, zumindest eine eingeschränkte. Bei Tirols Patientenanwalt häufen sich die Beschwerden. „Die Wartezeiten haben sich erhöht“, erklärt Birger Rudisch. Es sei nicht nachvollziehbar, ob Sonderklassepatienten anderen vorgezogen würden. Der Jurist vermisst die Transparenz auf den Wartelisten.
Auf eine Katarakt-Operation auf der Augenheilkunde warte man derzeit zwei Monate, auf eine Bandscheiben-OP vier bis sechs Wochen, erklärt die Leitung der tirol kliniken. „Eine Vorreihung von Sonderklassepatienten gibt es nur, wenn nach dem OP-Plan des Chefs behandelt wird“, erklärt die ärztliche Direktorin, Alexandra Kofler. Ist der Chef gut ausgelastet, könne es sein, dass der Sonderklassepatient sogar länger warten müsse als der normal Versicherte.
Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) meint, es dürfe keine Ungleichbehandlung von Patienten geben. Ausschlaggebend seien immer das Krankheitsbild und die Dringlichkeit, nicht die Versicherungspolizze. Die Transparenz auf den Wartelisten hält Tilg für gegeben. Auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes angesprochen, sagt er: „Natürlich wurde vom OGH ein Einzelfall entschieden, dennoch werden wir uns die Auswirkungen auf das System der Arzthonorare und allfällige Anpassungsnotwendigkeiten im Detail anschauen.“ Würde das Urteil Schule machen und nur noch der kassieren dürfen, der behandelt, würde das System wohl kollabieren. Daran glaubt Tilg nicht. „Eine überhastete Gesamtumstellung des Systems der Finanzierung der Sonderklasse würde große Risiken mit sich bringen.“ Innsbrucks streitbarster Arzt, Maximilian Ledochowski, meint, dass die Sonderklasseregelung dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche. Am Zug sei der Verfassungsgerichtshof. „Wenn es keinen Unterschied in der Behandlung gibt, wo ist dann die Mehrleistung, für die der Sonderklassepatient zahlt?“