Interview mit DI Ulf Ederer, Vorsitzender des Verbands der Herz- und Lungentransplantierten Österreich (HLuTX)

“Es klemmt vorne und hinten, am Personal und an der Infrastruktur.  Bisher sind noch keine groben Nachteile sichtbar geworden, das ist aber mehr dem persönlichen Engagement der Ärzte und Pfleger zu danken…”

Sehen, Verstehen und Gestalten ist das Lebensmotto von DI Ulf Ederer (@ArchivNT)
“Sehen, Verstehen und Gestalten” ist das Lebensmotto von DI Ulf Ederer (@ArchivNT)

Zur Person: DI Ulf Ederer (72) wurde zweimal ein Herz verpflanzt. Seit 2011 ist Ulf Ederer Vorsitzender des Verbandes der Herz- und Lungentransplantierten Österreich (HLuTX), seit 2015 stellvertretender Vorsitzender des Dachverbandes der Organtransplantierten Österreichs (DOTX) und seit 2015 MItglied des Bundesvorstands (Kassier) der Selbsthilfe Österreich. Im Interview mit Nephro Tirol zeichnet Ederer ein überaus positives Bild der ehrenamtlichen Selbsthilfe

Nephro Tirol (NT): Sie sind Obmann eines österreichweiten Selbsthilfevereins. Wie sind Sie zur Selbsthilfe gestoßen?

Ulf Ederer (UE): Nach meiner zweiten Herztransplantation habe ich nicht mehr voll gearbeitet und bin ein Jahr später mit 64 in Pension. Gesundheitlich ist es mir wieder sehr gut gegangen. Nach dem Motto „wenn man so viel Glück gehabt hat, sollte man auch etwas zurückgeben“ habe ich mich für Mitarbeit in der Selbsthilfeorganisation interessiert, nach einigen Monaten war ich für die Redaktion der Mitgliederinformation zuständig, etwas später Mitglied des Vorstands.

NT: Können Sie uns etwas über ihre Erkrankung erzählen? Wann wurden Sie transplantiert und wie geht es Ihnen seit der Transplantation?

UE: Herzerkrankungen liegen leider in meiner Familie, und mein Job als Bereichsleiter eines größeren Industriebetriebs mit 60+ Wochenstunden und Unmengen von weltweiten Verpflichtungen  war der Gesundheit sicher auch nicht förderlich. Im Alter von 50 begannen meine Probleme, zunächst Rhythmus-Störungen, 1994 dann eine rasant fortschreitende CMP – vermutlich getriggert durch eine übergangene Angina auf einer Dienstreise nach China. 1995 wurde ich nach 5 Monaten Wartezeit, in den letzten Wochen auf High Urgency, am AKH Wien transplantiert.  Ich erholte mich rasch, drei Monate später war ich wieder im Büro. 10 weitere Jahre lang hatte ich keine nennensweten Probleme. Leider schlich sich im Hintergrund eine chronische Abstoßung an, die 2005 eine zweite HTX notwendig machte. Ich hatte das Glück, wieder ein ausgezeichnetes Organ zu bekommen, es geht mir seither gut.

NT: Den Verband gibt es seit 1995. Was hat sich in den Jahren verändert und wie schaut es mit der Mitgleidsstruktur aus?

UE: Der Verband existierte als „Club HTX“ schon seit 1989, 1995 wurden die Lungen integriert und der Verein umgegründet. War es am Anfang eine auf Privatinitiative basierende Wiener Gruppe mit starker persönlicher Bindung an die betreuenden Ärzte, hat sich durch den HTX-Boom der 90’er Jahre und die Integration der LuTX eine Österreichweite Struktur entwickelt. Wir haben heute regionale Gruppen in den meisten Bundesländern, die sich regelmäßig treffen,Veranstaltungen organisieren und sich sich um die Anliegen der Mitglieder kümmern. Der Verband hat 520 Mitglieder, davon etwa 220 HTX, 150 LuTX und 150 Angehörige und Unterstützer.

NT: Wenn Sie an die Entwicklungen der letzten Jahre denken. Können Sie uns bestimmte Erfolge nennen, die ohne einen Selbsthilfeverein nicht möglich gewesen wären?

UE: Eine wesentliche Aufgabe des Verbands ist die Verbesserung bzw. Aufrechterhaltung einer guten Nachbetreuung Transplantierter. Hier ist es uns in den letzten beiden Jahren gelungen,  trotz der generell schwierigen Situation die psychologische Begleitung und die kardiologische Betreuung  in der TX-Ambulanz am AKH Wien von prekären Drittmittel-Stellen auf reguläre Anstellungen umzustellen. Ich möchte nicht behaupten, dass das ohne den Verband unmöglich gewesen wäre, aber wir haben sicher einen wesentlichen Beitrag geleistet. In der direkten Betreuung der Mitglieder spielen der Erfahrungsaustausch und die sozialen Kontakte eine wesentliche Rolle.

NT: Das österreichische Gesundheitssystem kostet sehr viel Geld. Der Fachärztemangel wird überall spürbar und Ambulanzen müssen tagweise geschlossen werden. Wie stellt sich die Situation aus Sicht Ihres Verbandes in Österreich dar?

UE: Es klemmt vorne und hinten, am Personal und an der Infrastruktur.  Bisher sind noch keine groben Nachteile sichtbar geworden, das ist aber mehr dem persönlichen Engagement der Ärzte und Pfleger zu danken, die die Mängel im System ausgleichen.

NT: In Österreich gibt es vier Transplantationszentren. Wie lange wartet man auf eine Lunge oder ein Herz?

UE: Herze werden in Wien, Innsbruck  und Graz transplantiert. Die mediane Wartezeit liegt in den letzten Jahren bei 4- 5 Monaten, die Anzahl von HTX in Österreich ist bei ca. 60 pro Jahr stabil geblieben.  Durch die Fortschritte in der konservativen Behandlung und den vermehrten Einsatz von implantierten Unterstützungssystemen ist die Sterberate auf der Warteliste fast auf 0 gesunken. Lungen werden in Wien und Innsbruck transplantiert, Wien ist mit über 100 LuTX/Jahr das größte europäische Zentrum. Wir sind in Österreich in einer besonderen Situation, da die Wiener Klinik zusätzlich zum Eurotransplant-System bilaterale Verträge mit den östlichen Nachbarstaaten hat. Deren Patienten werden in Wien transplantiert, die Spenderorgane stehen im Gegenzug der Wiener Klinik zur Verfügung. Es ergibt sich für uns eine positive Organbilanz, so dass Wartezeiten  bei unter 4 Monaten liegen und zusätzlich Organe an Eurotransplant weiter gegeben können.

NT: Wie hoch ist die Lebensdauer einer transplantierten Lunge oder eines Herzens?

UE: Bei Herztransplantierten beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate 80%, die mediane Lebenserwartung liegt bei über 10 Jahren. Heuer feiern drei Herztransplantierte ihr 30-jähriges Jubiläum bei guter Lebensqualität!   Lungen sind da nicht ganz so gut  dran, bei ihnen liegt die 5-jahres-Überlebensrate bei ca. 70%, der Medianwert bei ca. 8 Jahren

NT: Transplantierte Patienten müssen ja lebenslang Medikamente zu sich nehmen. Wie verträglich sind die Medikamente?

UE: Die Immunsuppression ist ein chronisches Handicap Transplantierter durch das erhöhte Infektionsrisiko. Die schweren Medikamente führen immer wieder  zu merkbaren Beeinträchtigungen im Alltag, bei LuTX treten häufiger unangenehme Nebenerscheinungen auf als bei Herzen. Als Langzeitwirkungen treten  Nierenprobleme, Diabetes mellitus und erhöhter Blutdruck mit allen riskanten Begleiterscheinungen auf. Auch das erhöhte Krebsrisiko ist nicht zu unterschätzen, vor allem Hautkrebs.

NT: Welche Bedeutung haben Selbsthilfevereine aus Ihrer Sichtweise in der Gesellschaft?

UE:  Ohne freiwillige Selbsthilfe käme unsere Gesellschaft zum Stehen, das gilt von Bürgerbeteiligung über Flüchtlingshilfe bis zum Gesundheitssystem. Die Arbeit von Selbsthilfegruppen für und mit Patienten leistet einen wesentlichen Beitrag zur Information, zur sozialen Einbindung und zur Motivation zu einer gesünderen Lebensweise. Eine stärkere Einbindung von Betroffenen und ihres speziellen Know-Hows in die Entscheidungsfindungen im Gesundheitssystem könnte viel Geld sparen, daher ist eine öffentliche Anerkennung und Unterstützung der Selbsthilfe dringend angebracht.

Nephro Tirol bedankt sich herzlich für das Gespräch!

Links:

Verband der Herz- und Lungentransplantierten (HLuTX)

Dachverband der Organtransplantierten Österreich (DOTX)

Selbsthilfe Östereich