Wo die Keime munter sprießen

Sie sind häufig viel keimträchtiger als die Klobrille: Alltagsgegenstände wie Tastaturen, Telefone und Türklinken werden oft von vielen Menschen geteilt, aber nur selten gereinigt. Allerdings ist eine allzu große Furcht vor Mikroben auch ungesund, betont Hygiene-Expertin Astrid Mayr.

Während im Krankenhaus besonders strenge Regeln gelten und eigene Medizinprodukte nötig sind, die dem häufigen Kontakt mit Desinfektionsmitteln standhalten müssen, reicht für den Haus- und Bürogebrauch im Allgemeinen ein regelmäßiges Reinigen
Während im Krankenhaus besonders strenge Regeln gelten und eigene Medizinprodukte nötig sind, die dem häufigen Kontakt mit Desinfektionsmitteln standhalten müssen, reicht für den Haus- und Bürogebrauch im Allgemeinen ein regelmäßiges Reinigen

(VNT/AM). Immer dort, wo viele Menschen gemeinsame Einrichtungen nutzen, geben sich die Mikroben buchstäblich die Klinke in die Hand. Nicht nur an Türen und Lichtschaltern: Mehrere Teilzeitkräfte wechseln sich an einem Schreibtisch ab, dort wird gehustet, geschnäuzt und aus Zeitmangel auch gegessen. Nebenbei beantwortet man schnell eine E-Mail oder surft im Versandhauskatalog. Die besten Freunde teilen sich die Ohrstöpsel vom Smartphone und wischen abwechselnd mit Fleischkässemmelfingern über das Display. Selbst wenn nur einer Computermaus oder Hörer benutzt, sammelt sich da einiges an. Ganz abgesehen davon, dass so mancher selbst am stillen Örtchen noch die Neuigkeiten des Tages posten muss.

60-mal mehr Keime als am WC

Kein Wunder, dass Tastaturen & Co. mit bis zu 60-mal mehr Mikroorganismen belastet sind als der gefürchtete Toilettensitz. Astrid Mayr, stv. Bereichsleiterin für Krankenhaushygiene, Technische und Umwelthygiene an der Medizin-Uni Innsbruck, erklärt das auch damit, „dass bei der Klobrille mehr darauf geachtet wird“.

Allerdings sollte man auch nicht gleich in Panik verfallen und den Schnuller sofort mit Spezialtüchern desinfizieren, wenn er auf den Boden fällt. Abwaschen – oder notfalls Abschlecken durch die Mama – genügt: „Ein normaler Kontakt mit Mikroorganismen ist das Um und Auf für einen gesunden Körper“, betont sie.

Dennoch: Ein Mindestmaß an Hygiene muss sein. Während im Krankenhaus besonders strenge Regeln gelten und eigene Medizinprodukte nötig sind, die dem häufigen Kontakt mit Desinfektionsmitteln standhalten müssen, reicht für den Haus- und Bürogebrauch im Allgemeinen ein regelmäßiges Reinigen. Es sei denn, eine Grippewelle grassiert oder jemand im Umfeld hat gar Noroviren aufgeschnappt. „Dann empfehlen wir, auch zu desinfizieren“, erklärt Mayr. Sie rät sogar zum Gang in die Apotheke, um entsprechend getestete Mittel zu bekommen.

Für Medizinprodukte muss der Hersteller angeben, welche Hygieneprodukte sie aushalten. Bei herkömmlichen Tastaturen und Smartphones bleibt dagegen „oft unklar, was ich verwenden darf“, weiß die Expertin. Stark alkoholhaltige Mittel etwa können leicht zu Schäden führen. „Eine Handdesinfektion ist für eine Tastatur schon zu scharf.“ Ein Abwaschen überstehen aber nur spezielle Tastaturen. Mayr empfiehlt deshalb Feuchttücher aus dem Drogeriebereich, die wenig Alkohol enthalten, teils aber sogar eine zusätzliche Reinigungskomponente. „Damit kann man wunderbar drüberfahren und kommt auch gut in die Rillen hinein.“ Gut geeignet seien solche Tücher außerdem für Fernbedienungen und Joysticks.

Den Schreibtisch würde sie „mit normaler Flüssigseife oder auch Spülmittel reinigen“. Türschnallen sind übrigens besser als ihr Ruf: „Die sind häufig aus Metall und das ist für Mikroorganismen kein optimales Milieu.“ Am Arbeitsplatz genüge daher die tägliche Klinkenreinigung mit einem feuchten Tuch und etwas Spülmittel, „das sogar relativ gut Bakterien abtötet“. Für Wasserhähne sei ebenfalls das tägliche Putzen durch das Reinigungspersonal ausreichend. „Man soll aber nicht vergessen, auch den Putzlappen zu wechseln.“ Mikroorganismen lieben Feuchtigkeit, Wärme und Nährstoffe, deshalb muss der Putzfetzen dazwischen auch gut trocknen können. Und wieder gilt die Einschränkung: „Wenn zwei Leute krank sind im Büro, sollte man auch desinfizieren.“
„Hygiene ist Hausverstand“

Der Mensch habe „wahnsinnig viele Mikroben auf der Haut“, weiß Mayr. Ihr zufolge sind es Millionen von Zellen pro Quadratzentimeter Haut – die wiederum selbst schuppt. Unwillkürlich fährt man sich mit der Hand ins Gesicht, an die Nase, reibt sich die Augen. So werden Schmutz und Keime auf Gegenstände und Körperregionen verteilt. Manche Trockenkeime wie der Staphylococcus aureus können auf solchen Oberflächen sogar über Monate lebensfähig bleiben. „Für Gesunde ist er harmlos, aber er ist der häufigste Wundinfektions-, also Eitererreger, und bildet häufig Resistenzen“, erklärt Mayr, warum er klinisch gefürchtet ist. Gar nicht so selten sei auch ein Nagelpilzbefall auf den Fingern. „Das ist mit ein Grund, warum man auf eine gewisse Reinigung achten sollte.“ Nagelpilze können sehr hartnäckig sein, „aber die Leute schämen sich, damit zum Arzt zu gehen. Sie glauben, der meint: Ich bin so grausig.“

Die Vorsicht sollte man aber nicht übertreiben. „Hygiene ist Hausverstand“, sagt Mayr. „Man muss nicht mit Handschuhen in der Straßenbahn stehen und sollte nicht Angst haben, dass man gleich mordskriminelle Organismen kriegt. Wir sind ja fast schon zu hygienisch geworden.“ Das sehe man speziell bei jungen Müttern. Sie sollten sich nicht gleich fürchten, wenn ihr gesundes Kleinkind an einer Fernbedienung lutscht. „Auch wenn es komisch klingt: Maximal kriegt es vielleicht ein bisschen Fieber oder Durchfall, und das ist gut für das Immunsystem, denn dadurch baut es Abwehrmechanismen auf.“