Univ. Prof. Dr. Gert Mayer: „Nach NTX: Wie gut sind eigentlich Generika“

IMMUNSUPPRESSIVE MEDIKAMENTE NACH EINER NIERENTRANSPLANTATION: WIE GUT SIND EIGENTLICH GENERIKA?

Univ. Prof. Dr. Gert Mayer
Univ. Prof. Dr. Gert Mayer

(VNT). Nach einer Nierentransplantation schützt die immunsuppressive Therapie vor Abstoßungsreaktionen. Sehr häufig wird dabei auf eine Kombination aus (meistens drei) Medikamenten zurückgegriffen: 1) Kortison in unterschiedlicher Dosierung, 2) Calcineurininhibitoren (die entsprechenden Wirksubstanzen heißen Cyclosporin A und Tacrolimus) und 3) Proliferationshemmer (Mycophenolat und Azathioprin). Diese Substanzen werden seit vielen Jahren eingesetzt und haben sich klinisch bewährt.
Für einige der sogenannten „Originalpräparate“ (z.B. Prograf® mit dem Wirkstoff Tacrolimus  oder Cellcept®, welches Mycophenolat enthält) ist inzwischen das Patent abgelaufen. Dieses gilt in Österreich üblicherweise für 10 Jahre und während dieser Zeit darf keine andere Firma das Medikament vertreiben um der forschenden pharmazeutischen Industrie die Möglichkeit zu geben, die enormen Kosten, die bei der Medikamentenentwicklung entstehen, wieder einzuspielen. Nach Ablauf dieser Zeit wird es auch anderen Herstellern erlaubt sogenannte „Generika“ zu produzieren und zu verkaufen. Um die Qualität dieser Medikamente sicher zu stellen hat die Europäische Arzneimittelbehörde EMA allerdings strenge Regeln erlassen, die erfüllt werden müssen bevor Generika in den Handel gelangen können.

Generikum: gleicher Wirkstoff

Im Zentrum steht dabei die Forderung, dass ein Generikum den absolut gleichen Wirkstoff in der absolut gleichen Dosierung wie das Originalpräparat enthalten muss. Allerdings ist es erlaubt, dass sich die inaktiven Trägersubstanzen, die ebenfalls in einer Tablette enthalten sind (wie z.B. Zucker oder Stärke) zwischen dem Generikum und dem Originalpräparat unterscheiden. Da dies aber theoretisch die Aufnahme der Wirksubstanz aus dem Darm in den Körper verändern kann, wird von der EMA auch gefordert, dass jedes Generikum Bioäquivalenzstudien durchläuft. Dabei erhalten gesunde Testpersonen eine Tablette des Generikums und nach einiger Zeit eine andere des Originalpräparates und im Blut wird die Konzentration der Wirksubstanz über die Zeit gemessen. So wird überprüft ob die Wirksubstanz aus dem generischen Präparat in der gleichen Menge und Rate aufgenommen wird wie aus dem Originalpräparat. Für das Kriterium der „Gleichheit“ (Äquivalenz) wurden von der EMA exakte Regeln definiert. Für manche Medikamente, welche in der Transplantationsmedizin eingesetzt und sehr genau dosiert werden müssen (wie z.B. Tacrolimus oder Cyclosporin A) wurden diese Vorgaben sogar noch verschärft, d.h. die aufgenommene Menge und die Rate des Originalpräparats und des Generikums müssen in diesen Fällen noch ähnlicher sein als z.B. bei blutdrucksenkenden Substanzen. Nebenbei sei erwähnt, dass auch wenn die Herstellungsprozesse von Originalpräparaten verändert werden, diese Bioäquivalenzstudien durchlaufen müssen bevor sie wieder verkauft werden dürfen. Durch diese und noch weitere Regeln hat damit eine zentrale und unabhängige Behörde sichergestellt, dass nur dem jeweiligen Originalpräparat gleichwertige Generika in Europa in den Handel gelangen können (gleiche Wirksubstanz, gleiche Aufnahme in den Körper). Es sei auch darauf hingewiesen, dass es zum Beispiel nicht für alle Medikamente, die Tacrolimus enthalten, gleichwertige Generika gibt. So wird der Wirkstoff aus dem Präparat Advagraf® anders freigesetzt als aus dem Präparat Prograf® und es gibt derzeit nur für Prograf® Generika.

Generika sind gleich, aber nicht besser als Originalpräparate

Generika sind gleich, aber nicht besser als Originalpräparate, ihr wesentlicher Vorteil ist der günstigere Preis. Neue Medikamente müssen, bevor sie eine Marktzulassung erhalten ihre Wirkung und Sicherheit in klinischen Studien beweisen. Dies ist ein sehr komplizierter und auch teurer Prozess, den ein Hersteller eines Generikums nicht durchlaufen muss. Es wird vielmehr davon ausgegangen, dass ein Medikament, welches seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt wird, durch ein anderes sicher ersetzt werden kann wenn dieses denselben Wirkstoff enthält und ident in den Körper aufgenommen wird. Generika werden in vielen Ländern Europas (auch in Österreich) inzwischen erfolgreich nach Nierentransplantation eingesetzt und es gibt in der medizinischen Literatur keine Berichte, die darauf hindeuten, dass durch deren Einsatz der Erfolg nach einer Transplantation (sei es in Bezug auf das Auftreten von Abstoßungsreaktionen oder das Langzeittransplantatübeleben) beeinträchtigt wird.

Genaue Überwachung notwendig

Die European Society of Organ Transplantation (ESOT) hat in einer Stellungnahme dementsprechend auch festgehalten, dass sie sich nicht gegen den Einsatz von Generika nach einer Organtransplantation ausspricht. Allerdings hat sie zusätzliche Empfehlungen abgegeben. So wird zum Beispiel gewünscht, dass der Wechsel von einem Originalpräparat zu einem Generikum von einer Ärztin/ einem Arzt überwacht wird, die/der Erfahrung mit der Betreuung von transplantierten Patienten/Patientinnen hat. Klarerweise sollte nach einem Wechsel (wie auch davor unter dem Originalpräparat) die Dosierung der immunsuppressiven Medikamente genau überwacht und, wenn nötig, angepasst werden. Ein weiterer wesentlicher Punkt in den Empfehlungen der ESOT ist, dass die Patienten/Patientinnen über den Wechsel informiert werden, um zu verhindern, dass die Medikamente durch Verunsicherung (anderer Name, anderes Aussehen) nicht mehr korrekt eingenommen werden. In diesem Zusammenhang (und auch aus anderen Gründen) wird empfohlen, nur einen Wechsel (also von einem Originalpräparat auf ein bestimmtes Generikum) durchzuführen und nicht Generika untereinander auszutauschen.
Zusammengefasst gehen also mit der EMA und der ESOT die beiden wesentlichen Behörden und Institutionen Europas davon aus, dass der Einsatz von Generika effizient und sicher ist, wenn ihre jeweiligen Vorgaben eingehalten werden. Gleichzeitig können die Kosten reduziert werden. Meines Erachtens verdient der letzte Punkt durchaus Beachtung. In den letzten Jahren hat sich der Budgetdruck auf das medizinische System massiv erhöht und es stellt sich öfters nun nicht mehr die Frage, ob wir höhere Ausgaben tolerieren sondern ob wir uns alle wirklich neuen Medikamente, die auf den Markt kommen noch leisten können (oder wollen).

Univ. Prof. Dr. Gert Mayer ist Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin IV (Nephrologie und Hypertensiologie) ,Medizinische Universität Innsbruck